Julika Bosch, 2014
Zu den Axiomen und dem, was sich daraus ableiten lässt.
Die drei ausgestellten Arbeiten von Tamara Lorenz aus dem Jahr 2009 gehören der Werkgruppe der Axiome an. Zudem zeigen wir eine unbetitelte Edition (Doppelbelichtung) von 2013. Die Künstlerin arrangiert in dieser Werkreihe temporäre Konstruktionen aus schwarz, weiß und grau bemalten Holzstäben, schwarzen Flächen, geometrischen Formen und den vielfachen Schattenwürfen dieser Objekte vor einem weißen Hintergrund. Auch in vorigen Fotografien, den Pragmatischen Prinzipien, arbeitet Lorenz mit vielschichtig aufeinander gelehnten Holzlatten und derem skulpturalen und kompositorischen Potenzial.
Übertragen in die Zweidimensionalität, erlangen die Gebilde eine grafische oder malerische Qualität, die an die geometrischen Abstraktionen des russischen Konstruktivismus erinnern mag. Allen vier Arbeiten von Lorenz ist dabei eine nur leicht aufgelöste Symmetrie und eine Konzentration auf einen Punkt etwas unterhalb der Bildmitte gemeinsam. Zum Teil von den fragilen Linien verdeckt, erscheinen dort auch konkrete Abbildungen: In Axiom 10 ist ein Zeitungsausschnitt aus dem Feuilleton aufgestellt, auf dem eine Bergspitze abgebildet ist, in Axiom 2 erscheint hinter einem weiß lackierten Holzbalken das kaum noch lesbare Wort oder Wortfragment „so“ und im Hintergrund von Axiom 13 zeigt sich eine farbige Abbildung unseres Planeten. Einerseits sind diese Motive Anhaltspunkte, die die Abstraktionen in die Gegenständlichkeit zurückführen, andererseits lässt sich der Bergspitze ohne einen passenden Zeitungsartikel, dem Wort, das seinem Kontext entrissen ist, und dem Planeten in der Abwesenheit seiner Kreislaufbahn kaum eine Bedeutung beipflichten. Vielleicht ist es die Ästhetik der Einsamkeit, die diese bedeutungsentleerten Objekte inmitten der Kühle der schwarz-weißen Konstrukte so anziehend macht. Auch das aus der Wissenschaft und Philosophie stammende Titelwort Axiom scheint auf einer gewissen Distanz zu den nüchternen, spielerischen Konstrukten zu stehen. Ein Axiom, so nennt man einen als absolut richtig erkannten Grundsatz, der keines Beweises bedarf. Doch endlich dieses Wort lässt sich auf etwas zurückführen : auf das lateinische Wort áxios, dessen Bedeutung zwei leicht verständlichen Adjektiven gleichkommt, nämlich ‚würdig‘ und ‚wert‘.