Vitrinen

Jari Ortwig, 2013

Nicht als Bildhauerin entwickelt Tamara Lorenz die minimalistische Installation für die Vitrinen in der rubensstrasse42, sondern als Fotografin, als „Operateur“ vor und hinter der Kamera. Wenn subtile Gesten und grafische Spuren der Künstlerin in Wechselwirkung mit der Vitrinenstruktur treten, wenn sich (Licht-)Schatten und Spiegelungen, Raum und Fläche optisch verschränken, entstehen neue Realitäten.

Ausgehend von einer der Vitrinenstruktur eingeschriebenen Logik, die mit der Einteilung der Flächen in geometrische Formen (Dreiecke, Rechtecke, Trapeze) und der Einbeziehung minimalistischer Skulpturen sichtbar gemacht wird, versinnbildlicht Lorenz ihre eigene Sicht auf die Welt: Indem sie Ungenauigkeiten, Farbverläufe und Farbnasen zulässt, provisorische Schönheiten schafft und nicht zuletzt die Klarheit der Formen durch Krümmungen und Rundungen sowie eine Verschiebung der Dimensionen aufbricht, untergräbt sie die mathematische Strenge und Berechenbarkeit, ja die Eindeutigkeit der Dinge.

Lorenz’ Interesse gilt einem radikal konstruktivistischen Ansatz und damit der absoluten Subjektivität von Wahrnehmung. Wahrnehmung ist nie objektiv. Wahrnehmung ist immer Konstruktion. Mit dieser Annahme führt sie die im Titel formulierte und der Geometrie „prinzipiell“ innewohnende Logik selbst ad absurdum und setzt sich ironisch über die Objektivität der Naturwissenschaft hinweg.

Ganz frei bedient sich die Künstlerin der verschiedenen Rollen der und Erwartungen an die Geometrie, auch jener aus dem Kunstkontext. Als Bildgegenstand der ungegenständlichen Malerei des beginnenden 20. Jahrhunderts, wie dem Suprematismus mit seinem intellektuell-theoretischen Überbau, werden geometrische Formen mit dem utopischen Anspruch verbunden, Vollkommenes hervorzubringen, ein neues, säkulares Weltbild zu schaffen. Spiritualität und politische Umwälzung gehörten mitunter zum pathetischen Leitgedanken einer auf der Geometrie fußenden ungegenständlichen Kunst. In den 1960er Jahren hingegen strebt der auf meist einfachen geometrischen Grundstrukturen basierende Minimalismus als Gegenbewegung zur gestischen Malerei nach Reduktion, Objektivität, Klarheit und Logik.

Sympathisierend bedient sich Tamara Lorenz beider Sprachen – jener der Logik und jener des Pathos; Nicht jedoch, ohne die Extreme mit einer Mischung aus Leichtigkeit, Witz und Ironie zu unterlaufen und sich selbst irgendwo dazwischen, vielleicht im Hier und Jetzt, zwischen Wahrheit und Wirklichkeit, anzusiedeln, um so schließlich die Schönheit der alltäglichen Unvollkommenheit zu ehren.